Arbus Newsletter 1/2020
Liebes Arbus-Mitglied
Liebe/r Arbus-Interessent/in
Medien in Zeiten des Coronavirus
Wir leben im Moment in einer speziellen Situation. Korrekt und offiziell: "Die Schweiz befindet sich in einer ausserordentlichen Lage." Wir merken das Alle. Beim Arbeiten, in der Schule, in der Familie. Beim Gärtnern, beim Einkaufen, beim Ferien planen. An Ostern. Aber auch in den Medien und auch beim Medienkonsum.
Der Bundesrat hat sich im August des letzten Jahres für effiziente und rasch umsetzbare Massnahmen zur Unterstützung von Zeitungen und Online-Medien ausgesprochen. Um diesem Ziel näher zu kommen war geplant dem Parlament im ersten Halbjahr 2020 ein Massnahmenpaket zur Förderung der Medien zu unterbreiten. Dieses sieht vor finanzielle Mittel u.a. für Online-Medien zu sprechen und Tages- und Wochenzeitungen sollten mehr von der indirekten Presseförderung profitieren. Auf das in die Vernehmlassung gegangene Bundesgesetz über elektronische Medien (BGeM) will der Bundesrat jedoch verzichten. Das Ergebnis dazu ist zu kontrovers ausgefallen. Viele Teilnehmende an der Vernehmlassung hatten auf die wirtschaftlich schwierige Lage - insbesondere der Presse - verwiesen und eine Hauptforderung aus der Vernehmlassung war auch die Sicherung des regionalen Service public von Radio und Fernsehen. Der Bundesrat schlug in der Vernehmlassung zudem vor, über das Radio- und Fernsehgesetz auch Online-Medien zu unterstützen.
Viele von uns - speziell auch in den vergangenen Wochen - informieren uns zunehmend über Online-Angebote womit auch deren demokratiepolitische Bedeutung wächst. Die Bereitschaft für digitale Medienangebote zu bezahlen - so hören wir momentan zumindest von den grossen Verlagen - sei gestiegen. Ich bin mir dessen nicht so sicher auch wenn mittlerweile immer mehr Digitalabos verkauft werden.
Seit der missglückten Vernehmlassung des BGeM und der Ankündigung des Bundesrates sind bereits wieder einige Zeit vergangen. Ohne mich als Besserwisser ins Szene zu setzen - der ich bei weitem nicht bin - die Lage unserer Medien ist in den vergangenen Wochen und Monaten alles andere als gemütlicher geworden. Die Tages- und Wochenzeitungen leiden unter einem massiven Werbeeinbruch. Dasselbe gilt für elektronischen Medien wie die Regionalradios und die Lokal-TV-Stationen und auch bei der SRG wurde in der Zwischenzeit Kurzarbeit eingeführt und sie leidet unter einem Werberückgang. Verhältnismässig gut geht es einzig Medien, die schon immer ganz oder mehrheitlich auf Werbung verzichten.
Ich möchte in diesem Newsletter auf ein paar mir wichtige Punkte verweisen: Was ist die Rolle der Medien in dieser speziellen Coronazeit und was kann oder könnte der Bundesrat unternehmen, um unser Mediensystem zumindest kurzfristig zu unterstützen.
Der Medienwissenschafter Vinzenz Wyss hat die Arbeit der Schweizer Medien während der Krise - welche natürlich noch nicht zu Ende ist - beobachtet. Er meint - so in einem Blog - die Medien würden gemäss seiner Beobachtung bis jetzt weitgehend im Einklang mit der sehr guten Kommunikation des Bundes berichten. Beruhigend sei - so Vinzenz Wyss - dass auf Social Media kursierende offensichtliche Verschwörungstheorien oder skurrile Thesen selbsternannter Experten kaum eine Chance hätten, sich gross auszubreiten und zusätzlich zu verunsichern. Doch Wyss sieht auch diverse Mängel, denen jedoch noch begegnet werden könne.
Ich bin froh, dass sich ein anerkannter Medienwissenschaftler so dezidiert äussert und Themen aufs Tapet bringt, welche ein Teil des Mediensystems bislang nur ansatzweise aufgearbeitet haben. Auch beim ARBUS haben wir uns nämlich gefragt, wo denn das statistische Wissen der Journalisten ist beim Interpretieren von Zahlen zu Infizierten, Toten und Ergebnissen von Testmessungen und wo die metakommunikative Thematisierung durch die Medien bleibt. Doch lesen Sie selbst: wir haben Ihnen den Blog von Vinzenz Wyss weiter unten im Newsletter bereitgestellt bzw. verlinkt. Ebenfalls verweisen wir auf eine Einschätzung von Vinzenz Wyss und Klaus Meier, die fragen, ob wir in der Corona-Krise hochwertig informiert werden. Sie werden nicht erstaunt sein: Beide Journalismusforscher sind auf Defizite gestossen.
Das zweite Thema auf welches ich verweisen möchte, stammt aus der Feder der WOZ-Journalisten Andreas Fagetti und Kaspar Surber. Sie haben in der WOZ von dieser Woche aufgedeckt, dass der Bundesrat offenbar Anfang Monat darüber beraten habe wie denn die Medien aufgrund der Coronakrise mit zwei Notverordnungen gestützt hätten werden sollen, warum es nicht dazu kam und wie es nun mit der Medienförderung weitergehen könnte. Auch diese Einschätzung verlinken wir Ihnen im Newsletter weiter unten. Die WOZ hat - und das ist nicht ganz unumstritten - entschieden, während der Coronakrise ihre Artikel kostenlos im Internet anzubieten. Ich empfehle den ARBUS-Newsletter-LeserInnen darum - wenn Sie die WOZ nicht eh abonniert haben - den gelesenen Artikel aus der WOZ abzugelten. Das ist ganz einfach: LINK zur WOZ.
Ich freue wie immer auf Rückmeldungen (an info@arbus.ch), wünschen Ihnen viel Lesevergnügen und gute Gesundheit.
Daniel Römer, Präsident ARBUS Schweiz
Unterstützen Sie den ARBUS mit einer Spende oder werden jetzt gleich Mitglied:
PC Konto 80-12268-3 / IBAN CH38 0900 0000 8001 2268 3
Die Rolle des Journalismus in der Corona-Krise
Interview mit Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaften der ZHWA: Wo liegen die Grenzen ses Journalismus und wie gut macht er seinen Job während dieser Krisenzeit.
Link zur ZHAW mit dem Interview mit Vinzenz Wyss
Werden wir in der Corona-Krise hochwertig informiert? Die Wissenschaftler Klaus Meier und Vinzenz Wyss blicken auf die Berichterstattung in der Schweiz und Deutschland seit Beginn der Pandemie. Beide Forscher analysieren den Zustand des Journalismus - und erkennen fünf Defizite.
Link zu meedia.de zur Anlayse von Vinzenz Wyss und Klaus Meier
Missglückte Rettung
Simonetta Sommaruga wollte die Medien in der Corona-Krise mit 78 Millionen Franken unterstützen. Doch sie lief damit letzte Woche im Bundesrat auf. Der WOZ liegen die Details des Rettungsplans vor.
Link zur WOZ zum Artikel von Andreas Fagetti und Kaspar Surber
Die WOZ hat - und das ist nicht ganz unumstritten - entschieden, während der Coronakrise ihre Artikel kostenlos im Internet anzubieten. Ich empfehle den ARBUS-Newsletter-LeserInnen darum - wenn Sie die WOZ nicht eh abonniert haben - den gelesenen Artikel aus der WOZ abzugelten. Das ist ganz einfach: LINK zur WOZ.
Radiotipps fürs linke Ohr
Sie sind ein Muss für RadiohörerInnen: die Radiotipps von Hans Steiger im P.S. die linke Zürcher Zeitung.
Im Moment erscheint das P.S. aufgrund der Coronakrise nur alle zwei Wochen. Damit wir Radiohörenden nicht auf die Tipps von Hans Steiger vermissen müssen, bietet das P.S. in den P.S-freien Wochen die Radiotipps auch im Internet an. Ganz praktisch auch zum Ausdrucken. Und wie immer auch auf der Homepage des ARBUS. Das P.S. freut sich über eine Rückmeldung, ob die Tipps künftig auch zu normalen Zeiten elektronisch erhältlich sein sollen.
Radio- und TV-Nutzungszahlen
Anstieg der Radio- und TV-Nutzung in Zeiten der Corona-Krise
Die Nutzung von Radio- und Fernsehangeboten in der Schweiz hat seit der Ausrufung der "ausserordentlichen Lage" aufgrund der Corona-Pandemie zugenommen. Das Fernsehen kann in den ersten beiden Wochen des "Lockdowns" deutlich mehr Personen erreichen und diese auch länger binden, von allem am Abend und mit Nachrichten sowie Informationsangeboten. Das Radio wird ebenfalls länger genutzt als vor den Massnahmen des Bundesrates und erfüllt insebesondere seine Rolle als medialer Tagesbegleiter und Nachrichtenvermittler auch in Krisenzeiten. Dies belegen die im Auftrag der Stiftung Mediapulse erhobenen Nutzungsdaten für die beiden Wochen vor und nach dem 16. März 2020.
Anstieg der Radio- und TV-Nutzung in Zeiten der Corona-Krise
Werden Sie Mitglied beim ARBUS!
Der ARBUS setzt sich kritisch mit Medien und der Mediennutzung auseinander. Das heisst wir nehmen Einfluss auf die Medienpolitik und setzen uns ein für die Erhaltung und Förderung gesellschaftspolitischer und kultureller Werte in den Medien.
Mit Fr. 30.-- Jahr als Einzelmitglied und Fr. 60.— als Kollektivmitglied reden Sie mit und unterstützen die älteste medienkritische Organisation der Schweiz.
Kennen Ihre Freunde den Arbus auch? Wenn nicht: Damit der Arbus noch mehr Mitglieder hat und mit der Stimme vieler Mediennutzer/innen spricht, machen Sie in Ihrer Umgebung auf den Arbus aufmerksam oder schenken eine Arbus-Mitgliedschaft.
Mit freundlichen Grüssen